Hump of the week: Krieg im Nahen Osten – den Aktienmarkt stört’s nicht wirklich! Warum?

Symbolbild für geopolitische Spannungen: Krieg im Nahen Osten trifft auf stabile Aktienmärkte – Soldat vor rauchender Skyline, daneben steigende Börsenkurse

Geopolitik trifft Börse: Sechs Gründe für die Marktgelassenheit trotz Krieg

Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH

Die Lage im Nahen Osten hat sich dramatisch zugespitzt.

Der schwelende Konflikt zwischen Israel und dem Iran ist in einen offenen Krieg übergegangen. Täglich kommt es zu gegenseitigen Angriffen – mit Raketen, Drohnen und gezielten Cyberattacken. Und doch: Die internationalen Aktienmärkte zeigen sich erstaunlich stabil. Während politische Beobachter von einer der gefährlichsten geopolitischen Konstellationen der letzten Jahrzehnte sprechen, bleibt die Kursentwicklung an den großen Börsen relativ unbeeindruckt.

Trotz der Eskalation sind Aktienmärkte nur kurzzeitig unter Druck geraten. Inzwischen notieren viele Indizes kaum niedriger als vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen. Auch andere Anlageklassen wie Anleihen, Gold oder Kryptowährungen reagieren bislang verhalten. Einzig der Ölpreis (Brent) hat deutlich angezogen – in der Spitze um knapp 10 %. Doch warum reagiert der Markt so gelassen?

Die Antwort liegt in einer Kombination aus geopolitischen, wirtschaftlichen und markttechnischen Faktoren:

1. Wall Street ist die Weltbörse – und geografisch weit entfernt vom Krisenherd

Auch wenn die Börsen weltweit miteinander vernetzt sind, bleibt die Wall Street der Taktgeber für die internationalen Finanzmärkte. Und aus Sicht der US-Investoren ist der Nahe Osten geografisch weit entfernt. Diese räumliche Distanz führt dazu, dass Ereignisse in der Region oft nur begrenzt auf die amerikanischen Märkte durchschlagen – zumindest solange keine unmittelbaren Interessen oder Handelsrouten betroffen sind.

2. Der Krieg erscheint begrenzbar – und Märkte honorieren Stabilitätssignale

Trotz der akuten Eskalation halten viele Marktteilnehmer den Konflikt für regional begrenzt. Beobachter gehen davon aus, dass es eine informelle Absprache zwischen den USA und dem Iran gibt. Demnach würden sich die Vereinigten Staaten unter bestimmten Bedingungen heraushalten – etwa solange die Straße von Hormus offenbleibt und keine direkte Bedrohung für US-Streitkräfte entsteht.

Diese Lesart stützt die Hoffnung, dass der Iran nicht vollständig eskalieren wird, etwa durch die Blockade dieser strategisch wichtigen Wasserstraße. Der Markt interpretiert diese vermeintliche Stabilität als Signal: Die Lage ist angespannt, aber (noch) unter Kontrolle.

3. Der Iran ist außenpolitisch isolierter als in früheren Konflikten

Die geopolitische Ausgangslage hat sich gegenüber früheren Eskalationen deutlich verändert. Russland ist durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine stark gebunden, Putin kann dem Iran keine echte Rückendeckung geben. Auch Syrien nach Assad spielt militärisch keine dominante Rolle mehr.

Organisationen wie die Hisbollah und die Hamas sind durch Kriege und Krisen sowie internationalen Druck geschwächt. Parallel dazu haben sich neue Machtzentren im Nahen Osten etabliert: Länder wie Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate treten zunehmend als Vermittler und wirtschaftliche Stabilitätsanker auf. Diese Akteure haben kein Interesse an einer regionalen Ausweitung des Krieges – auch das sorgt für eine gewisse Beruhigung an den Märkten.

4. Trumps Politik bleibt unberechenbar – aber er reagiert auf Marktsignale

Die außen- und wirtschaftspolitische Linie von US-Präsident Donald Trump gilt seit jeher als erratisch. Der Markt bewertet sie entsprechend mit einer gewissen Risikoprämie. Gleichzeitig zeigt sich immer wieder, dass Trump auf Börsensignale reagiert. Schon in seiner ersten Amtszeit hat er Kursrückgänge an der Börse öffentlich kommentiert – und sein Verhalten teils daran angepasst.

Diese Beobachtung erinnert viele Marktteilnehmer an den sogenannten „Greenspan-Put“ früherer Jahre: Wenn es ernst wird, greift die (Geld-)Politik ein, um negative Auswirkungen auf die Märkte zu begrenzen. Auch wenn Trumps Handeln schwer vorhersehbar ist – die Aussicht, dass er sich vom Marktgeschehen beeinflussen lässt, wirkt in der aktuellen Lage stabilisierend.

5. Institutionelle Investoren sind vorsichtig positioniert

Ein weiterer Grund für die relative Stabilität: Viele professionelle Investoren sind aktuell nicht übermäßig in Aktien investiert. Die Aktienquote institutioneller Anleger ist vergleichsweise niedrig, was den Verkaufsdruck im Markt begrenzt. Gleichzeitig zeigt die aktuelle Sentix-Umfrage ein vorsichtig positives Bild: Die professionelle Seite sieht mittelfristig Kurschancen! Private US-Anleger haben hingegen in den letzten drei Monaten verstärkt Aktien gekauft haben – vermutlich aus langfristigen Überlegungen.

6. Jay Powell als Gegengewicht zu Trump

US-Notenbankchef Jerome Powell gilt unter Marktteilnehmern als verlässlicher Stabilitätsanker. Während Trump außenpolitisch für Unsicherheit sorgt, wird Powell von vielen Investoren als Garant für geldpolitische Vernunft gesehen.

Das Vertrauen in Powell ist hoch. Die Annahme: Er wird im Zweifel das Richtige tun – auch, um die wirtschaftlichen Folgen geopolitischer Spannungen abzufedern. Diese Erwartung wirkt sich positiv auf die Risikobereitschaft vieler Marktteilnehmer aus – zumindest bislang.

Fazit

  1. Nüchtern betrachtet ist die geopolitische Lage aktuell so brisant wie lange nicht mehr. Der Konflikt im Nahen Osten spitzt sich zu, gleichzeitig schwächt sich die US-Konjunktur ab. Die Europäische Zentralbank nähert sich dem Ende ihres Zinssenkungszyklus. Trump bleibt ein politischer Risikofaktor. Und auch Putin zeigt sich weiterhin unbeweglich.
  2. In einem solchen Umfeld ist professionelles Risikomanagement wichtiger denn je. Alle genannten Faktoren – von geopolitischen Eskalationen über geldpolitische Richtungswechsel bis hin zu innenpolitischer Unsicherheit – können jederzeit Auslöser für eine größere Marktkorrektur sein.
  3. Aber: Es muss nicht zwangsläufig so kommen. Vieles spricht dafür, dass der Iran an einer diplomatischen Lösung interessiert ist – auch um seine eigene wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Gelingt eine Deeskalation, könnten die Märkte weiterlaufen. Und diese Performance will man nicht verpassen.

Was denken Sie? Eskalation oder Beruhigung im Nahen Osten?

Vennemann HiRes 5624

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