Hump of the week: Crash oder nur eine Korrektur?
Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management gmbh
Crash oder nur eine Korrektur?
Die Märkte im Bann politischer Disruption
Die Märkte stehen Kopf – ist das bereits der Crash oder nur eine heftige Korrektur? Inmitten geopolitischer Eskalationen und geldpolitischer Verwerfungen mahnt Starinvestor Ray Dalio zur Vorsicht: Nicht die Zölle, sondern systemische Veränderungen könnten zur echten Belastungsprobe für Anleger werden. In diesem Kommentar analysieren wir die aktuelle Lage am Kapitalmarkt – und bewerten, ob es sich bei den Turbulenzen um eine temporäre Korrektur oder den Beginn eines fundamentalen Strukturwandels handelt.
US-Politik im Alleingang: „America alone“ statt „America first“
Dalios Warnung vor „once-in-a-lifetime“-Erschütterungen in der globalen Ordnung trifft einen Nerv. Die transatlantischen Beziehungen – lange Stabilitätsanker – sind merklich unterkühlt. Das Vertrauen in gemeinsame westliche Werte schwindet, und aus Partnerschaft ist Wettbewerb geworden.
Die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen erleben einen Paradigmenwechsel. Die Börsen beginnen, diese neue Realität einzupreisen – doch der Anpassungsprozess ist noch längst nicht abgeschlossen.
Trump überschreitet seine eigenen Grenzen
Während einige Beobachter argumentieren, Trump setze lediglich um, was er im Wahlkampf angekündigt habe, zeigt sich in der Realität ein anderer Trend: Eskalation auf mehreren Ebenen. Seine Politik wirkt weniger strategisch als reaktiv, oft ohne erkennbaren langfristigen Plan.
Aus „America first“ ist „America alone“ geworden – mit weitreichenden Folgen für Handelsbeziehungen, Investitionsentscheidungen und internationale Kooperationsmodelle. Für Investoren bedeutet das: Verlässlichkeit ist nicht mehr gegeben.
China, Iran und Co.: Geopolitik als Marktrisiko
Trumps Eskalationskurs provoziert Reaktionen – je nach Land unterschiedlich. China antwortet mit Gegenmaßnahmen, während andere Nationen Zurückhaltung üben. Der Nahe Osten, insbesondere der Iran, entwickelt sich zum nächsten geopolitischen Brennpunkt.
Die Märkte müssen lernen, mit multiplen Krisenherden umzugehen. Die geopolitische Unsicherheit ist dabei kein vorübergehendes Störfeuer, sondern ein dauerhafter Risikofaktor für internationale Investments.
Rezession oder nur ein Frühindikator?
Die wirtschaftliche Großwetterlage in den USA verdüstert sich. Blackrock-CEO Larry Fink verweist auf Gespräche mit Unternehmensführern, die mehrheitlich von einer bereits eingesetzten Rezession ausgehen. Gleichzeitig fällt der Dollar, während die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen deutlich steigen.
Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Wer sind die Verkäufer langfristiger US-Papiere? Und was passiert, wenn sich diese Bewegung beschleunigt? Die Reaktion der Fed könnte zum entscheidenden Faktor für Stabilität oder weiteren Abverkauf werden.
Politik als Blackbox: Wie viel Disruption hält der Markt aus?
Trumps Entscheidungen wirken zunehmend erratisch. Ob man ihn als Geschäftsmann oder als politischen Disruptor interpretiert – Berechenbarkeit ist nicht sein Markenzeichen. Und genau das ist Gift für Kapitalmärkte, die auf Stabilität und Planbarkeit angewiesen sind.
Was daraus folgt, ist ein massiver Vertrauensverlust – nicht nur bei Handelspartnern, sondern auch bei Investoren weltweit. Das Investieren unter solchen Vorzeichen wird zu einer neuen Disziplin.
Fazit 1: Crash oder Korrektur? Eine neue Unsicherheitskultur
Nichts ist mehr, wie es war: Auf die USA als verlässlichen Partner kann man sich aktuell nicht mehr stützen. Mehr noch – das Verhalten der Vereinigten Staaten wirkt zunehmend unberechenbar, was die Planungssicherheit für Investoren massiv erschwert.
Die Märkte müssen sich an ein neues Grundrauschen politischer Unsicherheit gewöhnen – und das in einem Umfeld, das ohnehin sensibel auf Störungen reagiert.
Fazit 2: Der Finanzsektor als Frühindikator
Die Bank of England warnt vor weiteren Markteinbrüchen. Ob wir uns aktuell in einem Crash oder in einer ausgeprägten Korrektur befinden, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Fest steht: Einige US-Märkte haben bereits den technischen Bärenmarkt erreicht – mit über 20 % Kursverlust vom letzten Hoch.
Noch funktioniert das Finanzsystem stabil, doch genau das bleibt der kritische Punkt. Ob sich die Lage beruhigt oder weiter zuspitzt, hängt maßgeblich vom Verhalten des Finanzsektors ab. Indikatoren wie Notenbank-Liquiditätsmaßnahmen, geldpolitische Signale der Fed oder die Entwicklung langfristiger US-Renditen verdienen besondere Aufmerksamkeit.
Fazit 3: Alles verkaufen oder investiert bleiben?
Vollständig aus dem Markt auszusteigen, mag für risikoaverse Anleger ein verständlicher Impuls sein – doch historisch gesehen haben Märkte oft schnell wieder gedreht. Wer investiert bleibt, sollte auf Diversifikation setzen und gezielt Liquidität aufbauen, um bei Gelegenheiten handlungsfähig zu sein.
Vor allem: Der Blick über den Tellerrand hinaus ist jetzt gefragt. Wachstumsregionen außerhalb der USA, insbesondere in Asien, ausgewählten Teilen Europas und Afrika, könnten mittelfristig neue Opportunitäten bieten.
Strategische Positionierung ist gefragt
Alles verkaufen und an der Seitenlinie warten? Für Investoren mit hoher Risikoaversion mag das eine Option sein – doch sie birgt eigene Risiken. Sollte Trump kurzfristig eine Zollpause verkünden, könnten die Märkte ebenso schnell nach oben drehen, wie sie zuvor gefallen sind.
Wer über Risikokapital verfügt, sollte daher investiert bleiben – mit kühlem Kopf und strategischer Umsicht. Erholungen können genutzt werden, um gezielt Kasse zu machen und spätere Einstiege vorzubereiten. Entscheidend ist eine breite, globale Diversifikation: Neben Asien rücken zunehmend auch Europa, Afrika und ausgewählte Anleihemärkte in den Fokus. Neue Wachstumschancen entstehen – nur eben vermutlich nicht mehr in den USA.
Was denken Sie? Wird Trump die Märkte wieder beruhigen – oder erleben wir eine neue Qualität des Absturzes?
Zum Thema US-China-Verhältnis lesen Sie gerne auch den Kommentar meines Geschäftsführer-Kollegen Markus van de Weyer auf LinkedIn
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