Hump of the week: Uncle Sam und der chinesische Drache – Ein ewiger Systemkonflikt?
Uncle Sam und der chinesische Drache – Zwischen Konfrontation und Koexistenz
Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH
Als Kind des Kalten Krieges blicke ich mit Sorge auf den sich regelmäßig zuspitzenden Konflikt zwischen den USA und China. Vieles ist anders – aber manches erinnert an alte Muster: zwei Weltmächte, zwei Systeme und ein Kampf um wirtschaftliche und technologische Dominanz.
Die wirtschaftliche Rivalität hat in den vergangenen Wochen eine neue Eskalationsphase erreicht. US-Präsident Donald Trump kündigte an, spätestens zum 1. November Strafzölle von 100 Prozent auf chinesische Waren einzuführen – als Reaktion auf neue Exportkontrollen Pekings für seltene Erden, die entscheidend für Hightech-Produkte und Batterietechnologien sind.
Kapitalmärkte zwischen Nervosität und Erleichterung
Die Kapitalmärkte reagierten prompt: Nach der Ankündigung fielen insbesondere Technologie- und Industrieaktien deutlich zurück. Der DAX verlor fast zwei Prozent, bevor sich die Stimmung nach Trumps späteren, versöhnlicheren Tönen wieder aufhellte.
Trump lobte Chinas Staatschef Xi Jinping als „starken Führer, der gerade einen schwierigen Moment durchmacht“ und betonte, man wolle „keine wirtschaftliche Depression“. Diese kurzfristige Kehrtwende zeigte, wie sensibel Märkte auf politische Signale reagieren. Nach den jüngsten Verlusten legte der DAX wieder zu – ein klassisches Beispiel dafür, wie stark politische Kommunikation und Marktpsychologie inzwischen verknüpft sind.
Eskalationsspirale aus Zöllen, Exportverboten und Hafengebühren
Die neuen US-Strafzölle sind Teil einer längeren Kette gegenseitiger Maßnahmen. Washington setzt weiterhin auf eine Kombination aus Importzöllen, Exportverboten bei kritischer Software und zusätzlichen Hafengebühren für chinesische Frachtschiffe, um den technologischen Aufstieg Chinas zu bremsen.
China reagiert mit Gegenmaßnahmen auf US-Produkte – und zugleich mit Maßnahmen gegen europäische Exportgüter. Besonders betroffen sind Cognac, Schweinefleisch und Milchprodukte. Parallel werden Handelsströme aktiv nach Südostasien und insbesondere in die ASEAN-Staaten umgeleitet – eine Strategie, die in der Fachwelt als „decoupling without disengagement“ bezeichnet wird.
Deutschland im Brennpunkt der Abhängigkeiten
Für die deutsche Industrie sind die Auswirkungen massiv. Automobilbranche, Maschinenbau und Chemieindustrie hängen eng mit China zusammen – als Absatzmarkt, Zulieferer und Standort für Endfertigung.
Rund 40 Prozent der deutschen Industrieunternehmen haben direkte oder indirekte China-Exposures. Prognosen verschiedener Wirtschaftsinstitute sehen Gewinnmargen, Liefernetzwerke und Innovationszyklen unter Druck, sollte der Konflikt weiter eskalieren.
China: Autokratische Planwirtschaft mit Hightech-Fokus
Präsident Xi Jinping verfolgt weiterhin eine klare Linie der technologischen Unabhängigkeit. Schlüsselbranchen wie Künstliche Intelligenz, Halbleiter und Biotechnologie werden staatlich gefördert und zugleich stärker abgeschottet.
Die Politik des „Dual Circulation“-Modells zielt darauf, die Binnenwirtschaft zu stärken und internationale Abhängigkeiten zu verringern. Zugleich zeigen sich strukturelle Schwächen: Der Immobiliensektor bleibt angeschlagen, die Konsumdynamik gedämpft. Die Regierung versucht, Vertrauen mit Liquiditätsspritzen und gezielter Industriepolitik zu stabilisieren.
Europa zwischen strategischem Anspruch und Realität
Die Europäische Union versucht, sich nicht zum Spielball zwischen den USA und China machen zu lassen. Bei strategischen Gütern – von Batterien über seltene Erden bis hin zu Halbleitern – bleibt sie jedoch abhängig von beiden Partnern.
Die EU-Kommission hat die Wettbewerbsregeln durch neue Anti-Subventionsverfahren, etwa bei Elektroautos, verschärft. Gleichzeitig reagiert Brüssel mit Vorsicht, um Retorsionsmaßnahmen aus China zu vermeiden. Eine echte strategische Eigenständigkeit bleibt ein langfristiges Ziel.
Fazit 1:
Die USA und China stehen sich als wirtschaftliche Rivalen, aber auch als Systemgegner gegenüber – ähnlich wie einst im Kalten Krieg. Dieser Gegensatz wird langfristig zu Spannungen führen, die nicht nur Handelsstrukturen, sondern auch Kapitalmärkte beeinflussen. Eine friedliche Koexistenz bleibt die hoffnungsvollste Option.
Fazit 2:
Die jüngsten Entwicklungen zeigen, wie stark politische Gesten und Drohungen die Finanzmärkte bestimmen. Nach den Strafzollankündigungen gingen DAX und andere Indizes zunächst deutlich zurück, um sich nach Trumps Versöhnungssignalen zu erholen. Defensive Sektoren – insbesondere Gold und Anleihen – bleiben gefragt. Die erhöhte Volatilität spiegelt die anhaltend hohen geopolitischen Risiken wider.
Fazit 3:
Wirtschaftlich wie politisch ist China zu wichtig, um vom Westen ignoriert zu werden. Es wird auf Diplomatie und Verhandlungsgeschick ankommen, um die Interessen Europas zu wahren. Ob Trump dabei hilfreich ist, bleibt abzuwarten – eine starke, strategisch unabhängige EU dürfte langfristig der bessere Weg sein.
Wie schätzen Sie die Lage ein?
Können die USA und China einen gemeinsamen Weg finden – oder droht eine neue Ära zweier Supermächte?

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