Hump of the week: We have a deal! Und jetzt?

Kritik am Zoll-Deal zwischen von der Leyen und Präsident Trump – zurecht?

Wöchentlicher Marktkommentar

Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH

Kritik am Deal zwischen von der Leyen und Präsident Trump – zurecht?

Der Handelsdeal zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump sorgt für Diskussionen – insbesondere in Europa. Doch wie berechtigt ist die Kritik? Zunächst: Die EU war nicht chancenlos. Zwar war die Verhandlungsposition angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Gesamtlage nicht optimal, dennoch hätte Brüssel auf bestimmte Druckmittel zurückgreifen können. Eine Besteuerung der US-Digitalkonzerne, strengere Finanzregulierung oder auch regulatorische Maßnahmen hätten als Gegengewicht eingesetzt werden können. Denn: Nicht nur Zölle sind ein Instrument der Handelspolitik.

Schwäche durch Geopolitik – nicht durch Struktur

Das eigentliche Problem liegt weniger in der wirtschaftlichen Substanz der EU, sondern in ihrer aktuellen Abhängigkeit – sowohl geopolitisch von den USA als auch konjunkturell bedingt. Die fragile Verfassung der europäischen Wirtschaft, hohe Defizite in vielen Mitgliedsstaaten und die ungelöste Energiefrage schwächen den Handlungsspielraum. Vor diesem Hintergrund lässt sich sagen: Vielleicht war dieser Deal das Beste, was die EU aktuell verhandeln konnte – auch wenn das Ergebnis nicht begeistert.

Der US-Dollar, Terms of Trade – und ein verpasster Konter?

Eine interessante Marktbewegung: Der US-Dollar hat in den ersten sechs Monaten 2025 rund 13 % an Wert verloren. Das beeinflusst die Terms of Trade massiv. Man hätte hier mit Blick auf Währungsmanipulationen durchaus mit eigenen Gegenmaßnahmen reagieren können …. Ob Präsidentin von der Leyen diesen Punkt offensiv angesprochen hat, bleibt unklar. Ebenfalls offen: Ob sie den Protektionismus im US-Finanzsektor thematisiert hat. Fakt ist: Für europäische Vermögensverwalter ist es nach wie vor nahezu unmöglich, US-Kunden zu akquirieren – eine strukturelle Marktbarriere.

Milliardenversprechen – aber was ist wirklich verbindlich?

Im Zentrum des Deals stehen die Investitionszusagen der EU in Höhe von 600 Mrd. USD und geplante Energieimporte von 750 Mrd. USD. Doch weder ist klar, wie diese Summen genau zustande kommen sollen, noch ob sie vom EU-Rat oder Parlament in dieser Form genehmigt werden. Auch auf Informationen zu Umsetzbarkeit und Kontrollmechanismen warten Beobachter bislang vergeblich. Damit steht nicht nur der Deal auf wackligem Fundament – auch neue, unilaterale Maßnahmen von Präsident Trump bleiben möglich, sollten die europäischen Verpflichtungen nicht zeitgerecht erfüllt werden.

Aktienmärkte: Was bedeutet die Einigung für Anleger?

Die Reaktion der Märkte ist selektiv. Ein Blick nach Vietnam zeigt, dass sich eine Entspannung an der Zollfront positiv auswirken kann: Der dortige Leitindex stieg nach Einigung mit den USA um rund 20 %. Der US-Dollar tendierte zuletzt etwas fester – entgegen dem eigentlichen Ziel Trumps, der eine schwächere Währung zur Exportförderung bevorzugt. Doch das zentrale Thema bleibt: Die zollgetriebene Inflationsdebatte ist noch lange nicht vom Tisch.

Fazit 1:

Europas Schwäche wird durch den Deal sichtbar

Nicht allein strukturell, sondern vor allem geopolitisch und konjunkturell fehlt der EU derzeit die Handlungsstärke. Die Wachstumsperspektiven verbessern sich durch den Deal offenkundig nicht.

Fazit 2:

Geopolitik bleibt ein zentraler Risikofaktor

Trumps Drohung, sogenannte Sekundärzölle gegen Handelspartner Russlands zu verhängen, birgt erhebliche Eskalationsrisiken – vor allem im Verhältnis zu China.

Fazit 3:

Der Deal ist noch kein Vertragswerk

Laut IWF liegt die globale Wachstumserwartung 2025 bei 3,0 % – ein vorsichtiger Wert, der bereits viele Risiken einpreist. Doch: Die vereinbarten Zollverträge sind in weiten Teilen noch nicht schriftlich fixiert, haben keine Laufzeiten und bleiben abhängig von der Willkür des Präsidenten.

Fazit 4:

Die Skepsis ist bereits in den Märkten angekommen

Aktienoptimisten sind derzeit rar. Doch solange keine echten „Systemprobleme“ auftreten – wie eine US-Bankenkrise, ein erzwungener Rücktritt von Fed-Chef Powell oder eine tiefe US-Rezession – muss es keine stärkere Korrektur geben. Denn: Die Geldpolitik bleibt akkommodierend, und die Fiskalpolitik unterstützt die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks.

Wie bewerten Sie die Lage nach der „Zolleinigung“? Gibt es nun Ruhe an der Zollfront – oder ist das nur eine Atempause vor dem nächsten Kapitel?

 

Vennemann HiRes 5624

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