Hump of the week: BRICS – Bunter Haufen oder künftige (wirtschaftliche) Supermacht?

BRICS Supermacht? Politische Ambitionen und Kapitalmarktbedeutung

Wöchentlicher Marktkommentar: BRICS – Bunter Haufen oder künftige Supermacht?

 

Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH

Geopolitisches Gegengewicht zum Westen?

Die BRICS-Staaten – ursprünglich bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – haben sich inzwischen zu einem deutlich erweiterten Staatenverbund entwickelt. Mit der Aufnahme weiterer Länder wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Iran, Ägypten und Äthiopien umfasst das Bündnis mittlerweile elf Staaten, die rund 48 % der Weltbevölkerung und etwa 39 % der globalen Wirtschaftsleistung repräsentieren.

Beim jüngsten BRICS-Gipfel, auf dem Russland offen Unterstützung erhielt und westliche Positionen verurteilt wurden, zeigte sich das Bündnis so selbstbewusst wie selten zuvor. Die politische Stoßrichtung ist eindeutig: Die BRICS wollen als geopolitischer Gegenpol zum Westen auftreten. Eine langfristige Reduktion der Abhängigkeit vom US-Dollar, eigene multilaterale Handelsabkommen und gemeinsame Investitionsstrategien sind dabei zentrale Bausteine.

Trump reagiert mit Strafzoll-Drohung

Die geopolitische Reaktion folgte prompt. US-Präsident Donald Trump kündigte an, jedes Land, das sich der „anti-amerikanischen Politik“ der BRICS anschließe, mit zusätzlichen 10 % Importzöllen zu belegen. Diese Ankündigung verdeutlicht die wachsende Nervosität auf westlicher Seite – und gleichzeitig die strategische Bedeutung, die dem BRICS-Bündnis inzwischen beigemessen wird.

Dass Xi Jinping und Wladimir Putin dem Gipfel fernblieben, schmälerte den Einfluss nicht: Die Botschaft war deutlich – wirtschaftspolitisch wollen die BRICS-Staaten zunehmend eigene Wege gehen, und geopolitisch setzen sie klare Gegenakzente zum Westen.

Die BRICS-Währung – realistisch oder Illusion?

Ein zentrales Thema der Diskussionen: die Einführung einer eigenen BRICS-Währung. Ziel ist, internationale Transaktionen unabhängiger vom US-Dollar zu machen – eine Entwicklung, die vor allem China und Russland seit Jahren forcieren. Die Realisierung einer echten gemeinsamen Währung bleibt angesichts der ökonomischen und politischen Heterogenität jedoch unwahrscheinlich. Die Erfahrungen mit dem Euro und die Vielzahl an Systemunterschieden (z. B. Demokratie vs. Autokratie, Zentralbankpolitik, Inflationsziele) lassen eine gemeinsame Währung auf absehbare Zeit unrealistisch erscheinen.

Stattdessen ist wahrscheinlicher, dass die BRICS auf bilaterale Abkommen oder auf eine schrittweise Integration regionaler Zahlungsmechanismen setzen – insbesondere im Rohstoff- und Energiehandel.

Beeindruckende Wachstumsraten – trotz struktureller Unterschiede

Auch wenn die politischen Systeme und wirtschaftlichen Grundlagen der BRICS-Staaten höchst unterschiedlich sind, vereint sie derzeit vor allem eins: überdurchschnittliches Wachstum. 2024 verzeichnete Äthiopien ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum von 8,1 %, Indien wuchs um 6,5 % und selbst China – trotz interner Herausforderungen – erreichte ein Wachstum von 5 %.

Gleichzeitig stehen diese Erfolge in einem ambivalenten Kontext: Die BRICS-Staaten sind heute für 54 % der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Der Aufstieg dieser Volkswirtschaften ist eng mit steigendem Energieverbrauch und ökologischen Herausforderungen verbunden. Für Anleger bedeutet das: Wachstumspotenzial ja – aber mit Risikoaufschlag und ESG-sensibler Differenzierung.

BRICS und die Kapitalmärkte: In den Börsenindizes noch unterrepräsentiert

Kapitalmarkttechnisch zählen die BRICS zu den sogenannten Emerging Markets. Im globalen Leitindex MSCI World, der die 23 größten Industrienationen abbildet, sind sie nicht enthalten. Erst im MSCI Emerging Markets Index spielen sie eine bedeutendere Rolle:

  • China: rund 25 %
  • Taiwan und Indien: je etwa 18 %

Die Gesamtmarktkapitalisierung des MSCI EM liegt jedoch nur bei etwa einem Zehntel des MSCI World. Das verdeutlicht: Die BRICS haben – trotz wachsender wirtschaftlicher Bedeutung – noch wenig institutionelles Gewicht in den globalen Anlageportfolios.

Für langfristig denkende Investoren liegt hier aber auch eine Chance: Wer selektiv in wachstumsstarke BRICS-Märkte investiert, kann potenzielle Outperformance mitnehmen – allerdings nicht ohne gezielte Risiko- und Währungssteuerung.

Heterogen, widersprüchlich – und doch strategisch relevant

Politisch und wirtschaftlich bleiben die BRICS ein in sich widersprüchliches Konstrukt. Innerhalb des Bündnisses bestehen teils gravierende Spannungen:

  • China und Indien gelten als geopolitische Rivalen – insbesondere im Hinblick auf den Konflikt um die chinesische Unterstützung Pakistans.
  • Iran und Saudi-Arabien stehen sich historisch feindlich gegenüber.
  • Demokratien wie Indien, Brasilien oder Südafrika teilen nicht uneingeschränkt den autoritären Kurs von Putin und Xi.

Diese Gegensätze machen eine einheitliche politische Linie schwierig – und unterstreichen die Grenzen des BRICS-Projekts. Dennoch: Der gemeinsame Wille, sich wirtschaftlich unabhängiger vom Westen zu positionieren, verleiht der Gruppe eine neue Dynamik.

Fazit 1: Die geopolitische Stimme wird lauter

Auch wenn Xi und Putin dem Gipfel fernblieben, ist klar: Die BRICS gewinnen geopolitisch an Bedeutung. Ihre Stimme auf internationaler Ebene wird in Zukunft stärker gehört werden – gerade weil sie gemeinsam auftreten, obwohl sie nicht gleichgerichtet sind. In einer Welt multipolarer Kräfteverschiebungen ist BRICS ein Faktor, mit dem zu rechnen ist.

Fazit 2: Eine gemeinsame Währung ist fern – ein gemeinsames Ziel nicht

Eine einheitliche BRICS-Währung bleibt angesichts der strukturellen Unterschiede Zukunftsmusik. Was dagegen heute schon Realität ist: Gemeinsame Investitionen, bilaterale Handelsabkommen, Dollar-freier Zahlungsverkehr – kurz: ein wachsendes wirtschaftliches Selbstbewusstsein, das sich in konkretem Handeln zeigt.

Fazit 3: Kapitalmarktchancen – aber nur mit Differenzierung

Auch wenn die BRICS unter dem Emerging-Markets-Label firmieren, ist eine pauschale Anlagestrategie nicht zielführend. Große Märkte wie China, Indien oder Taiwan sind in vielen globalen Portfolios etabliert – mit klarem Diversifikationseffekt. Kleinere Länder – z. B. Äthiopien oder Iran – sind dagegen Nischenthemen, bei denen politisches Risiko, ESG-Bewertung und Marktliquidität besonders sorgfältig geprüft werden müssen. Sie können gezielt Chancen bieten – aber nur im Rahmen einer individuellen Allokation.

Was denken Sie? Sind die BRICS ein kurzfristiges geopolitisches Phänomen – oder eine echte wirtschaftliche Alternative zum Westen mit strukturellem Potenzial für die Kapitalmärkte?

 

Vennemann HiRes 5624

Ich freue mich über Ihre Nachricht!

Telefon 069 2731 584 72
Per E-Mail kontaktieren

Newsletter abonnieren