Hump of the week: La Grande Nation – Europas Sorgenkind?

Frankreich: Politische und wirtschaftliche Belastungsprobe für Europa

Frankreich: Politische und wirtschaftliche Belastungsprobe für Europa?

Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH

Frankreich steckt mitten in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Das Parlament ist zersplittert, die politischen Ränder gewinnen an Einfluss – und ein genehmigter Haushalt für 2026 fehlt bislang.

Das Staatsdefizit bleibt hoch, die Schuldenquote liegt bei rund 113 % des Bruttoinlandsprodukts – der dritthöchste Wert in der Europäischen Union. Nur Griechenland und Italien liegen noch darüber. Allerdings könnte Italien Frankreich dank der aktuellen Reformbemühungen der Regierung Meloni bald überholen.

Auch die Kapitalmärkte beginnen, die Risiken einzupreisen. Die Zinsdifferenz zwischen deutschen und französischen Staatsanleihen (10-jährige Laufzeit) hat sich zuletzt leicht auf etwa 0,8 % ausgeweitet – noch kein Alarmsignal, aber ein deutliches Warnzeichen für Investoren.

Innerhalb von nur 13 Jahren ist Frankreichs Kreditwürdigkeit von AAA auf A+ gefallen. Sowohl Fitch als auch S&P haben das Land zuletzt herabgestuft – ein sichtbarer Ausdruck des Vertrauensverlusts in die finanzielle Stabilität der „Grande Nation“.

Strukturelle Schwächen und Reformmüdigkeit

Frankreich leistet sich das teuerste Rentensystem Europas – gemessen am Verhältnis zwischen Renten und Arbeitseinkommen. Eine grundlegende Reform bleibt politisch heikel und stößt auf Widerstand in der Bevölkerung.

Diese Reformunwilligkeit erinnert an Deutschland. Beide Volkswirtschaften stehen vor ähnlichen Herausforderungen: hohe Staatsausgaben, stagnierende Produktivität, schleppende Bürokratie. Ohne strukturelle Veränderungen drohen langfristige Wettbewerbsnachteile – sowohl national als auch auf europäischer Ebene.

Der frühere EZB-Präsident Mario Draghi warnt seit Monaten, Europa verliere im globalen Wettbewerb an Boden: „Zu langsam, zu zögerlich, zu kompliziert.“ Ohne tiefgreifende Strukturreformen drohe die EU, wirtschaftlich den Anschluss zu verlieren – oder habe ihn bereits verloren.

Wirtschaftliche Trends: schwache Ertragslage, stabilere Industrieproduktion

Das wirtschaftliche Umfeld in der Eurozone bleibt herausfordernd. Für das dritte Quartal 2025 wird – ohne Berücksichtigung des Finanzsektors – ein Rückgang der Gewinne pro Aktie (EPS) um rund 4 % gegenüber dem Vorjahr erwartet.

Das Lohnwachstum bleibt hoch, die Industrieproduktion zeigt dagegen erste Stabilisierungstendenzen. Die Europäische Zentralbank hat ihren Kurs zuletzt beibehalten. Neue Zinssenkungen sind vorerst nicht in Sicht, da sich der Rückgang der Inflation nach dem Sommer verlangsamt hat.

Auch politisch bleibt die Situation angespannt: Vor den Präsidentschaftswahlen 2027 liegt die politische Mitte in Frankreich deutlich zurück, während extreme Kräfte an Einfluss gewinnen. Eine weitere Polarisierung scheint unausweichlich.

Fazit 1

Frankreich bleibt ein zentraler, aber schwächelnder Pfeiler der Eurozone. Hohe Schulden, steigende Zinskosten und fehlende Strukturreformen bremsen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Fazit 2

Das politische Klima in Frankreich ist angespannt. Die Mitte verliert an Gewicht, die Extremen gewinnen. Der Handlungsspielraum für notwendige Reformen ist eng – der Reformstau wächst.

Fazit 3

Europa verliert an Dynamik. Ohne entschlossene Reformen in Deutschland und Frankreich wird es schwer, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern.

Es ist „fünf vor zwölf“ – doch die Reformbereitschaft fehlt.

Gleichzeitig zeigen Länder wie Spanien und Polen, dass es auch anders geht: Mit Strukturreformen, Investitionen und klaren industriepolitischen Strategien lässt sich Wachstum zurückgewinnen. 

Wie schätzen Sie die Lage ein?

Bleibt Frankreich ein Stabilitätsrisiko für Europa – oder schafft es die „Grande Nation“, das Ruder noch herumzureißen?

 

Vennemann HiRes 5624

 

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