Hump of the week: Neutralität – Der Markt sucht Orientierung
Autor: Carsten Vennemann, CFA, Geschäftsführer alpha beta asset management GmbH
Aktuelle Entwicklungen und Marktreaktionen
Donald Trump bleibt weiterhin aktiv auf der weltpolitischen Bühne. Zölle werden erhöht, ausgesetzt oder wieder eingeführt. Beinahe täglich erscheinen neue Wasserstandsmeldungen zu Handelsverträgen oder irritierende Beiträge in sozialen Netzwerken. Heute Morgen etwa: Mexiko bittet um eine Ausnahme vom verdoppelten Stahlimportzoll.
Trotz dieser Unruhe bleibt der Aktienmarkt erstaunlich gelassen. Der DAX pendelt seit über vier Wochen in einer engen Spanne zwischen 23.000 und 24.300 Punkten. Die Volatilität des Aktienmarktes, gemessen am VDAX-New, liegt konstant unter 20 – ein Indikator für das aktuell geringe Nervositätsniveau.
Behavioural Finance und Investorenverhalten
Laut Behavioural-Finance-Theorie ist dieses Phänomen erklärbar. Der neutrale Modus vieler Investoren lässt sich empirisch belegen. Das Frankfurter Analysehaus Sentix meldet ein 52-Wochen-Hoch bei der gemessenen „Neutralität“ deutscher Aktieninvestoren. Auch in den USA: Der Nasdaq-Index zeigt ebenfalls eine erhöhte Investorenneutralität – vergleichbar mit Werten zuletzt im Jahr 2015.
Der Grund: Trotz volatiler (geo-)politischer Nachrichten bleibt die Marktentwicklung in einem ruhigen Fahrwasser. Die Stimmung unter Investoren ist verhalten, aber nicht pessimistisch – ein Hinweis auf rationales Abwarten statt blinder Euphorie.
Marktdaten, Kapitalflüsse und Anlegerverhalten
Ein tiefer Blick in die Kapitalflüsse zeigt ein differenziertes Bild. Besonders spekulative Investoren haben im Mai massiv Aktien zugekauft, vor allem in Nordamerika. Parallel dazu verzeichneten börsengehandelte Indexfonds (ETFs) in der EU und den USA ebenfalls starke Zuflüsse. In Zahlen: Laut Morningstar wurden allein in den USA im Vormonat rund 60 Milliarden USD in ETFs investiert – ein deutliches Signal für Marktvertrauen.
Anders das Bild bei klassischen Fonds: Fondsmanager, besonders in institutionellen Häusern, zeigen sich zurückhaltend. In aktuellen Umfragen erwarten sie rückläufige Erträge am Aktienmarkt – insbesondere im Hinblick auf eine mögliche konjunkturelle Abkühlung in den USA.
Globale Wachstumserwartung trübt sich ein
Parallel senkte die OECD ihre globale Wachstumsprognose für 2025 erneut – von 3,3 auf 2,9 Prozent. Für Deutschland liegt die Prognose sogar nur bei 0,4 Prozent. Damit gehört die Bundesrepublik zu den drei Schlusslichtern unter den 50 analysierten Volkswirtschaften.
Inflation und geldpolitischer Ausblick
Positiv zu bewerten ist hingegen die Entwicklung der Inflation. Im Euroraum sank die Jahresinflation im Mai auf 1,9 Prozent. In der Schweiz ist sie sogar leicht negativ. Diese Entspannung erlaubt geldpolitische Spielräume: Die Europäische Zentralbank dürfte im Sommer erneut die Zinsen senken. Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat eine Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt.
Fazit 1: Sorglosigkeit birgt Risiken
Die träge Marktreaktion auf negative Nachrichten signalisiert eine gewisse Sorglosigkeit. Viele Akteure gehen davon aus, dass politische Spannungen beigelegt werden und keine tiefe Rezession bevorsteht. Doch diese Erwartung birgt Risiken: Sollte die Realität hinter den Annahmen zurückbleiben, droht eine plötzliche Marktanpassung.
Fazit 2: Hohe Neutralität – Vorbote für Bewegung
Historisch betrachtet, geht eine Phase hoher Neutralität häufig mit einem bevorstehenden Volatilitätsschub einher. Dieser Impuls kann positiv sein – etwa bei unerwartet guten Konjunkturdaten. Aber er kann auch negativ ausfallen, etwa bei einer Eskalation im Handelsstreit oder unerwartet schlechten Unternehmenszahlen.
Fazit 3: Geopolitik bleibt Unsicherheitsfaktor
Die geopolitischen Unsicherheiten – etwa rund um China, die Ukraine oder den Mittleren Osten – belasten das Vertrauen. Zwar stützen sinkende Inflationsraten und mögliche Zinssenkungen die Kurse. Doch viel davon ist im aktuellen Kursniveau bereits eingepreist. Neue positive Überraschungen sind nötig, um weitere Kursanstiege zu rechtfertigen.
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